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frank rawel
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sounds
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Ein Bierrätsel
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Es ist noch nicht klar, warum der Herrgott Bayern mit so viel Schönheit segnet.
Nur ausdauerndes Beichten kann es nicht sein.
Aber Schönheit kann bekanntlich trügen, und etwas Misstrauen sollte jeder Reisende heutzutage griffbereit bei sich führen.
Tourismus ist schließlich eine Traumfabrik, eine Reise auch immer ein Trip.
Es war so in etwa beim dritten Mal, als ich durch die Fensterscheiben eines Gasthauses wieder diese zwei Kupferkessel sah, aus deren Anwesenheit die Häuser lauthals die Herstellung eines eigenen Bieres begründeten.
Hmm.
Hier wird eben sowohl Manufaktur wie Autonomie zelebriert,
so etwas kommt immer an im Urlaub der Knechte von Industrie und Abhängigkeit.
Aber geht das mit rechten Dingen zu? Ja, geht es überhaupt zu?
Alle näher beäugten Kessel waren aufgeklappt und mutmaßlich leer.
Die Armatur zeigte Zimmertemperatur und das Ganze schien viel zu zurückhaltend verschlaucht, verkabelt und miteinander verrohrt.
Mithin, das Hausbier wurde reichlich ausgeschenkt, und nach dem dritten Seidel mögen im Allgemeinen letzte Zweifel ertränkt sein.
Was aber, wenn alles ein großer Schwindel ist?
Dann ist es eben großer Schwindel, sagte ich mir, schließlich hat man Urlaub.
Einmal hatte ich sogar zu fragen gewagt, ganz salopp „Na, wo brauen Sie denn wirklich?“
und erhielt ebenso freudig wie kühl den Bescheid, dass allweil zur Schließzeit des Lokals fleißig gebraut werde,
was die Kessel halten. Wie bei Rumpelstilzchen: heute back ich, morgen brau ich, teilzeitmäßig.
Mir lag auf der Zunge, einzuwenden, dass da nicht vielleicht irgend ein mir nicht näher vertrauter Sud
doch einige Reifetage bräuchte, aber da stand das nächste Glas Betäubungsmittel schon bereit.
Gebraut nach dem deutschen Reinheitsgebot, dass einen schon oft stolz gemacht hat,
wenn es in fernen Flughafenbars nur wieder lauter Verstöße zu trinken gab.
Daher tut sanfter Tourismus so gut. Man bleibt im Land und nährt sich, meint man, redlich.
Nun hatte ich an jenem Tage bereits reichlich Echtheit akzeptiert, nämlich jene der Berge,
obgleich ich zu meinem Staunen direkt im Wanderweg Gullys eingearbeitet fand,
unter denen offenbar eine Kanalisation gluckerte. Und nun womöglich die große Bierlüge?
Zweifel gärten im Kupferkessel meines Hirns.
Wie immer, wenn das Volk unwissend gehalten wird, entwickeln sich Verschwörungstheorien.
Meine beliebteste lautet, dass buchstäblich irgendwo auf der Welt eine Brauerei ihre Absatzkrise
mit verschwiegenen Angeboten an deutsche Landgasthäuser löst.
Stelle Kupferkessel auf und rede davon!
Niemand kommt dabei zu Schaden, wenn man von der Wirkung des Alkohols absieht.
Der Glaube und ein paar Amigos können Brauereien versetzen!
Den Rest erledigt das Beichtgeheimnis.
Ist Wahrheit im Bier?
(C) frank rawel
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